Ein Team, das von Knochen und Schrauben lebt

Am Abend ins Bett gehen und nicht wissen, was einem am Morgen auf der Arbeit erwartet. Dies ist der Alltag der Orthopäden im Inselspital Bern.

Eine Reportage von Anouk Gantenbein und Aliyah von Niederhäusern.

Röntgenbild, Stütze für die Halswirbelsäule. Ein sogenannter “Fixateur interieur”. (Foto: Aliyah von Niederhäusern)
Röntgenbild, Stütze für die Halswirbelsäule. Ein sogenannter “Fixateur interieur”. (Foto: Aliyah von Niederhäusern)

Grosse Monitore zeigen Termine und Röntgenbilder an. Die Tastaturen klackern, man könnte meinen, jeder arbeitet selbstständig für sich, doch kaum hat jemand eine Frage gestellt, fachsimpeln sie alle miteinander und stecken die Köpfe zusammen.  Dies sind die Chirurgen des Inselspitals in Bern. Das Inselspital ist die Universitätsklinik von Bundesbern. Es ist ein freundschaftlicher und unkomplizierter Umgang untereinander im Büro, während in den Patientenzimmern Professionalität und Diskretion im Vordergrund stehen.

Die Orthopädie ist eine der wichtigsten Abteilungen im Inselspital Bern. Unter der Leitung von Prof. Dr. med. Klaus Siebenrock werden tagtäglich Patienten beraten, betreut und operiert. Prof. Dr. Siebenrock arbeitet seit 1990 im Inselspital Bern. Er ist in Deutschland aufgewachsen und hat auch dort seine Ausbildung an der Universität absolviert. Er schätzt es sehr, dass er mit seiner Arbeit Menschen helfen und glücklich machen kann: «Was ich am liebsten mag, ist der Erfolg, wenn ein Patient zu mir sagt, mir geht es gut, es hat sich gelohnt, es war gut, was Sie gemacht haben.» Dies bestätigen und teilen auch die anderen Fachärzte, nach dem Betreuen von Patienten. Im Anschluss einer Sprechstunde oder Behandlung in der orthopädischen Poliklinik, werden Protokolle auf Band gesprochen, die für die Ärzte aufbewahrt werden. Danach werden auf den Computern die Röntgenbilder der neuen Patienten ausgemessen und analysiert. Die Vorher- und Nachher-Bilder werden verglichen und eventuell noch neue gemacht. Die Operationen werden oft selbst von den zuständigen Ärzten durchgeführt, weshalb diese die Komplikationen und die Patienten mit ihren Verletzungen kennen und somit bestmöglich behandeln können. Die meisten Ärzte kommen um 6:15 Uhr am Morgen in das Spital und gehen dann etwa um 18:00 Uhr wieder nach Hause. Im Spital angekommen, gibt es als erstes die Frühbesprechung, welche den Ablauf und das Programm für jeden Einzelnen bestimmt. Während dieser Besprechung erfahren die Ärzte, ob sie heute operieren, was sie operieren, oder mit welchen Patienten sie sich heute befassen werden. Dementsprechend werde das Tagesprogramm immer sehr spontan und unterschiedlich zusammengestellt, erklärt Prof. Siebenrock. Zuhause spricht er jedoch nicht von seiner Arbeit, er kann sich gut erholen, ohne ans Spital zu denken. Viele Ärzte im Inselspital wussten schon sehr jung, dass sie diesen Beruf einmal ausüben wollten. So auch Prof. Siebenrock, welcher im Alter von 13 Jahren bereits sicher war, dass er eines Tages Medizin studieren möchte und Arzt werden will. Da die Ausbildung zum Arzt ein langer und harter Weg ist, muss man fest davon überzeugt sein, dass diese Arbeit zu einem passt und dass es wirklich das ist, was man tun möchte. Diese Überzeugung und Freude spiegelten sich deutlich in den Ärzten und Professoren wider, die im Inselspital arbeiten.

Beim gemeinsamen Mittagessen herrscht eine harmonische und kollegiale Atmosphäre unter den Mitarbeitern, es sitzen alle am selben Tisch. Es wird über alles Mögliche gesprochen, über die Arbeit, Erlebnisse, Operationen, aber auch über die Freizeit oder den technischen Fortschritt in allen Bereichen. Ein richtiges Team, dass sich versteht und zusammen arbeitet. Besonders “Chat gpt” war ein Thema und der Gebrauch der künstlichen Intelligenz im Alltag und in den Schulen. So befassen sich auch Ärzte mit der neuen Entwicklung. Ein Thema, das also in aller Munde zu sein scheint.

Die Forschungsabteilung

Im Inselspital Bern gibt es sogar eine orthopädische Forschungsabteilung mit zwei Bereichen: eine Abteilung für Hüfte und Becken, sowie eine Abteilung für Wirbelsäule. Hier dienen Mäuse zu Versuchszwecken und es wird oft mit deren Knochen gearbeitet und geforscht. Es werden Themen behandelt, was wohl die beste Prothese sei, oder ob man eine Prothese noch optimieren könnte betreffend Material oder Design. Weitere Forschungsthemen sind Zellkulturen züchten, um damit eventuell mit den eigenen Körperzellen eine neue eigene Bandscheibe herzustellen, wenn die körpereigene versagt. Fast jeder zweite Westeuropäer leidet zwischen 25 und 50 Jahren mindestens einmal an Rücken-, oder Bandscheibenproblemen.

Das Inselspital Bern arbeitet weltweit mit der Forschung zum Thema Hüftgelenken und Wirbelsäulen zusammen - was ist das Beste und was ist der neuste Trend? Dabei werden junge Hüften untersucht und geforscht, wie man diese schon früh behandeln kann, wenn sie denn nicht richtig funktionieren. Auch die Technologie hat im Berner Spital viel verändert, die Robotik ist ebenfalls ein bedeutendes Thema. Ob wohl in einigen Jahren nur noch Roboter operieren werden?

Büro in der Forschungsabteilung (Foto: Anouk Gantenbein)
Büro in der Forschungsabteilung (Foto: Anouk Gantenbein)

Die Schweizer Medizin

Für Prof. Siebenrock war es kein Problem, Deutschland zu verlassen und in der Schweiz zu arbeiten. Ihm wurde von einem befreundeten Arzt in Deutschland gesagt, dass die Schweiz fortgeschrittener sei in Chirurgie und der Medizin, als er sich in München beworben hatte. «Mir hat es nie eine Rolle gespielt, wo ich arbeite.», sagte Prof. Siebenrock, denn die Schweiz war gleich weit entfernt von seiner Heimat wie München. Auch viele andere Ärzte in der der orthopädischen Abteilung kommen aus Deutschland. Viele sind auch der Meinung, dass die flachere Hierarchie in der Schweiz ein Vorteil sei. So sei das Arbeiten eben ein Miteinander in der Schweiz. Auch die Arbeitszeiten seien hier besser geregelt.

Der Beruf hat Zukunft

Medizin wird immer eine Zukunft haben. Denn es ist genau andersherum als in der Wirtschaft. In der Medizin regle die Nachfrage das Angebot und die Fortschritte seien essenziell und spannend, erzählt Prof. Siebenrock. Deshalb würde er seinen Beruf immer weiterempfehlen und freue sich stets sehr, wenn sich jemand für seinen Werdegang und seinen Alltag im Inselspital interessiert. Er wird wahrscheinlich auch in irgendeiner Form nach seiner Pension im wissenschaftlichen Bereich weiterarbeiten. Denn für ihn ist es kein Beruf, sondern seine Passion.